So verlief am Sonntag das großartige German Boxing Series-Debüt

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Kevin Saszik vs. Halim Haxhijaj.
© Konstantinos Sarigiannidis

Mit Spannung wurde die große Debüt-Veranstaltung in der Kölner XPOST erwartet, die das Publikum restlos begeistern sollte!

Was bewegt Akteure 2024, in das deutsche Profiboxen zu investieren? Diese Frage müssen sich wohl einige Promoter von ihrem Steuerberater gefallen lassen. Doch zum Glück gibt es tatkräftige Visionäre, die den Boxsport lieben und mit Herz sowie Inbrunst fördern wollen. So auch die German Boxing Series, die am vergangenen Sonntag in Köln ihre Debütveranstaltung präsentiert haben. In der XPOST, einer exklusiven Location im Herzen von Köln, wollte die German Boxing Series zeigen, wie viel Potential eigentlich im deutschen Boxsport schlummert, welches konstant nicht abgerufen wird.

Komfortable Ausgangssituation beim Matchmaking

Das Ausschöpfen des Potentials sollte dadurch erreicht werden, dass man einerseits die sportlichen Kriterien stark bedient. Faire und ehrliche Kämpfe, bei denen keine Boxer nur zum Verlieren verpflichtet werden. Zudem wurden auch Kämpfer aus verschiedenen Kampfsport-Backgrounds im Boxen vereint, was das Zielpublikum breiter aufstellen ließ.

Diesen Ansatz konnte man bei fast allen Kämpfen am Sonntag auch begutachten, denn das Matchmaking war wirklich fantastisch! Das liegt auch daran, dass die German Boxing Series eine sehr komfortable Ausgangssituation besitzt, die klassische Promoter nicht haben. Normalerweise hat ein Promoter eine Reihe von Boxern im Portfolio und versucht, diese mit klugem und vorteilhaftem Matchmaking nach oben zu bringen; da bleibt die Ausgeglichenheit und Spannung gerne auf der Strecke. Bei der German Boxing Series gab es diese Verpflichtungen nicht, da die Boxer nicht langfristig unter Vertrag stehen und nur einzeln gebucht werden, was dem ambitionierten Matchmaking auch dienlich ist.

„Ich mache das seit 12 Jahren, und bei keinem Event war es so laut“

Neben der tollen sportlichen Komponente hatte die XPOST auch sehr viel zu bieten. So gab es beispielsweise einen Foodtruck, einen hochkarätigen VIP-Bereich und einen konstant spielenden DJ, die das Event facettenreich aufwerteten. Das Feedback war in diesem Bereich sehr positiv, weil sich die Boxsportfreunde in der XPOST auch abseits des Rings sehr wohl fühlten und die ambitionierten Gedankengänge der Ausrichter am Sonntag sahen und erlebten.

Vor Ort befand sich auch Boxen1-Fotograf Konstantinos Sarigiannidis, der seit 12 Jahren quer durch die Republik reist und immer wieder fotografisch die Events begleitet. Er schoss 7.000 Fotos, die er Boxen1 zur Verfügung stellte, und schwärmte authentisch über den Sonntag: „Das Event war super, es gab richtig viel Stimmung. Es waren viele Fußballfans in der Halle und die haben so laut gebrüllt! Ich mache das seit 12 Jahren, und bei keinem Event war es so laut wie bei diesem. Das hat richtig gehallt!“

Saszik und Haxhijaj liefern sich im Hauptkampf eine Schwergewichtsschlacht

Kevin Saszik vs. Halim Haxhijaj
© Konstantinos Sarigiannidis

Im Hauptkampf des großartigen Boxspektakels fanden die Schwergewichte Einzug. Auch wenn alle Gewichtsklassen ihren ganz speziellen Reiz besitzen, so zieht das Schwergewicht, die Königsklasse, in Deutschland immer noch am meisten. Leider sieht man in dieser Gewichtsklasse häufig auch unattraktive Kämpfe, weil die massigen Körper viel Sauerstoff benötigen, was sich auf die Workrate negativ auswirkt. Beim Kampf zwischen Kevin Saszik (8-0) und Halim Haxhijaj (5-2) war davon jedoch nur wenig zu sehen, denn beide gaben 8 lange Runden richtig Vollgas!

Kevin Saszik hat schon im Vorprogramm des deutschen Schwergewichtsstars Agit Kabayel (25-0) gekämpft und galt im Vorfeld als leichter Favorit. Er war deutlich größer als Halim Haxhijaj, doch da er zuvor nur schwächere Gegner geboxt hat, war es für ihn auch der erste wirklich große Highlight-Kampf seiner Karriere, den er zwingend gewinnen musste. Haxhijaj hingegen kam aus der ersten Profiniederlage, die er gegen den Boxgiganten Daniel Dietz (13-0) kassierte. Dennoch durfte man Haxhijaj nicht unterschätzen, weil er für ein Schwergewicht durchaus sehr explosiv wirkt und viel Kämpferwillen mitbringt, was auch am Sonntag in Köln sehr gut sichtbar war. Er wollte unbedingt keine zweite Niederlage erleiden und gab alles, um dies zu verhindern.

Haxhijaj früh am Boden – doch er fightet sich durch

Kevin Saszik vs. Halim Haxhijaj
© Konstantinos Sarigiannidis

Derweil verlief der Hauptkampf anfänglich sehr gut für Saszik. Er nutzte seine Reichweite geschickt im Rückwärtsgang und fing Haxhijaj gekonnt ab. Dieser wirkte etwas hölzern in seinen Angriffen. Immer wieder versuchte Haxhijaj, die Distanz mit überfallartigen Aktionen zu verkürzen, wobei er nicht selten auch mit dem Kopf etwas voranging. In der zweiten Runde landete Saszik dann einen richtig starken Lebertreffer, der Haxhijaj in die Knie zwang. Er stand zögerlich bei 9 auf und wirkte sichtlich angeschlagen, wodurch ein frühes Ende absolut greifbar erschien. Saszik versuchte dann die Gelegenheit mit weiteren Körpertreffern auszunutzen, die Haxhijaj jedoch noch irgendwie wegsteckte.

Wer nach den ersten zwei Runden dachte, dass der Hauptkampf leider sehr einseitig verlaufen würde, hat die Rechnung nicht mit dem Matchmaker der German Boxing Series, Tobias Brandes, gemacht. Saszik versuchte weiterhin, mit Körpertreffern Haxhijaj zu beeindrucken, doch dieser wurde von Minute zu Minute stärker. Immer wieder explodierte der kompakte Kosovare und konnte Saszik durchrütteln. Die Runden 3 und 4 gehörten tendenziell Haxhijaj, der Saszik zunehmend am Seil stellte und bearbeitete. In der fünften Runde war es dann aber wieder Saszik, der durch einen Körpertreffer Haxhijaj ins Wackeln brachte.

Der abwechslungsreiche und intensive Kampf bog in die Zielgeraden ein, und beide Boxer spürten schon das hohe vorherige Tempo. Haxhijaj duckte sich immer wieder und suchte Möglichkeiten zum Durchschnaufen, Saszik lehnte sich als größerer Mann auch dankend drauf, um ebenfalls Kräfte zu schonen. Doch auch in den hinteren Runden gab es immer wieder explosive Angriffe der beiden Boxer, wodurch stets etwas geboten war. In der achten und letzten Runde lag Haxhijaj tendenziell knapp zurück, weil er auch einen Niederschlag erlitten hatte. Er stürmte also noch einmal drei Minuten lang auf Saszik los, der teilweise mit harten Kontern reagieren konnte, aber die Abschlussrunde definitiv abgab.

Fehlendes Verlesen der Punkturteile als Manko

Am Ende stand die ganze XPOST in Köln nach diesen acht harten und intensiven Runden, in denen sich beide Boxer nichts geschenkt hatten. Es kam zum Punkturteil, welches mit Spannung erwartet wurde, da der Kampf sehr eng erschien. Haxhijaj war optisch angriffslustiger, was vielleicht mehr Eindruck hinterlassen hat, aber seine Aktionen waren häufig auch nicht sonderlich präzise. So werteten es scheinbar auch die Punktrichter, die einstimmig Saszik den Punktsieg zusprachen.

Hierbei muss man leider erneut eine deutsche Boxveranstaltung etwas kritisieren. Das nicht Verlesen der genauen Punkturteile ist leider eine gängige Unsitte in Deutschland. In anderen Teilen der Welt findet man das selbstverständlich nicht, wieso dann hier? Gerade bei so engen Kämpfen gehört es eigentlich zur Pflicht, die genauen Urteile zu verlesen. Es wirkt unprofessionell und teilweise etwas dubios, so einen tollen Hauptkampf einfach mit „einstimmiger Punktsieger“ abzutun. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn man in der Zukunft die genauen Punkturteile verlesen könnte. Leider ist das seit Jahren ein leidiges Dauerthema in Deutschland.

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Müller und Espana liefern sich einen hochklassigen Kampf auf Augenhöhe

Rico Müller vs. Ernesto Espana
© Konstantinos Sarigiannidis

Die beiden Schwergewichte im Hauptkampf lieferten sich eine tolle Materialschlacht, doch beide befinden sich eher am Anfang ihrer Profikarriere und wollen sich in der Szene noch etablieren. Im Co-Main-Event hingegen erfolgte ein Duell im Superweltergewicht zwischen Rico Müller (32-5-1) und Ernesto Espana (34-5-1). Müller kämpfte schon um den IBO-Titel gegen Jeremias Nicolas Ponce (31-1) und ist auf internationalem Parkett sehr erfahren. Der 42-jährige Venezolaner Espana hat ebenfalls eine internationale Vita vorzuweisen mit Titelkämpfen in Australien, China, Kanada oder auch Spanien. Entsprechend war Müller gewarnt, die „Krake“ aus Caracas nicht zu unterschätzen. Laut Boxrec-Angabe soll Müller etwas größer erscheinen, was Boxen1 in einem vorherigen Artikel ausschloss. Dies bewahrheitete sich auch im Ring; Espana war deutlich länger.

Die Reichweitenvorteile versuchte Espana auch gekonnt auszuspielen. Immer wieder schlug er Jabs und wartete auf den heranstürmenden Müller, der die Distanz verkürzen musste. Espana schlug zahlreiche Uppercuts als Konter, die aber zumeist das Ziel verfehlten. Müller war es hingegen, der immer wieder am Mann explodierte und harte Kombinationen schlug, wodurch er die erste Kampfeshälfte auch tendenziell bestimmte. Dennoch blieb Espana gefährlich. Er präsentierte sich konditionell, aber auch taktisch smart und bewegte sich trotz seiner 42 Jahre viel im Ring. In Runde 6 und 7 sollte es dann brenzlig für Müller werden, der absolute Volltreffer von Espana schluckte. Insbesondere in Runde 7 wackelte Müller bedenklich und war stark angeschlagen, doch der deutsche Routinier biss sich durch und überstand die schwierige Phase im Kampf.

Müller bekommt einen geteilten Punktsieg zugesprochen

Rico Müller – Ernesto Espana
© Konstantinos Sarigiannidis

Der sehr enge Kampf ging also in die achte und letzte Runde, wo für beide Boxer durchaus noch alles drin war. Das wusste auch Müller, der nochmal versuchte, trotz der vorherigen Wirkungstreffer Gas zu geben. Dies gelang zeitweise auch richtig gut, als Müller mit harten Powerpunches nochmal Espana zusetzte, der wiederum beim Schlagabtausch etwas weniger Erfolg verbuchen konnte. Insgesamt war es ein wirklich tolles Duell auf Augenhöhe, welches internationales Boxformat widerspiegelte.

Am Ende wird sich Espana ärgern müssen, dass er in der siebten Runde Müller nicht zu Boden schicken konnte, denn der Kampf ging auf die Scorecards. Dort wurde ein geteilter Punktsieg für Müller verkündet, leider erneut ohne genaue Wertungen. Auch hier wäre es absolut empfehlenswert und notwendig, die genauen Urteile zu verlesen, weil so ein enger Kampf das einfach verdient hat.

Beide Hauptkämpfe in Köln waren jedenfalls sehr spannend, intensiv und hochklassig.

Lambertz dominiert Altz im Supermittelgewicht

Marc Lambertz vs. Deniz Altz
© Konstantinos Sarigiannidis

Im Supermittelgewicht trafen Marc Lambertz (11-1) und Deniz Altz (15-14) aufeinander. Lambertz erlitt im März 2023 eine überraschende KO-Niederlage gegen den polnischen Journeyman Mariusz Biskupski (24-52), wodurch seine Karriere ins Wanken geriet. Doch er blieb weiterhin fleißig im Training und konnte sich ein Jahr später den WBF International-Titel gegen Patrick Rokohl (24-5) sichern. Dieser Erfolg gab Lambertz enorm viel Auftrieb und er möchte nun weitere Siege folgen lassen. Mit Altz stand ihm eine scheinbar sehr lösbare Aufgabe gegenüber, die sich aber überraschend tough in Köln erwies. Zunächst sorgte jedoch der Trainer von Lambertz, Rüdiger May, für Aufregung. Beim Verlassen des Ringes hat der ehemalige erfolgreiche Cruisergewichtsboxer die Standhaftigkeit der Technik vor Ort inspiziert.

Im Kampf selbst sollte eher Altz seine Standhaftigkeit beweisen müssen. Immer wieder kam die Schlaghand von Lambertz durch, der den Kampf dominierte. Altz versuchte beweglich zu bleiben und schlug immer wieder im Rückwärtsgang Konter, die aber kaum das Ziel trafen. Insgesamt wirkte er technisch nicht gerade versiert in seinen Aktionen. Rüdiger May gab während der Rundenpausen Lambertz immer wieder sehr leidenschaftliche Instruktionen, wobei er insbesondere den Uppercut forderte.

Lambertz konnte dies aber nicht zu 100 % umsetzen, denn Altz schleppte sich irgendwie über die vollen acht Runden. In Runde 7 war er zwar zwei Mal am Boden, was jeweils aber nicht angezählt wurde. Am Ende ging der einseitige Kampf auf die Scorecards, wo Lambertz wenig überraschend als Sieger ausgerufen wurde. Im Nachgang erklärte er: „Die Vorbereitung war bei mir sehr schwer, ich habe mich nach dem letzten Kampf nicht wirklich erholt. Die Schulter war problematisch und ich bin froh, dass ich überhaupt boxen konnte.“

Kampfsport-Influencer glückt das vorzeitige Profidebüt

Claudio Mirko Vizzini vs. Sylwester Zieba
© Konstantinos Sarigiannidis

Die German Boxing Series hatte jedoch auch abseits der klassischen Profiboxer noch einiges zu bieten. So trafen Fighter aus verschiedenen Kampfsportarten in Köln aufeinander, um sich im Boxen zu messen. Besonders hervorzuheben ist aber das Profidebüt von Claudio Mirko Vizzini (1-0). Bekannt als „claudio.athlet“ auf Instagram und TikTok, erreicht er mit seinen Kampfsportvideos ein Millionenpublikum. Vizzini wollte sich nun im Profiboxen beweisen und konnte auf die tatkräftige Unterstützung seiner Fans vor Ort zählen, darunter auch der Sänger Pietro Lombardi. Ursprünglich war ein Kampf gegen einen Bare-Knuckle-Fighter geplant, doch dieser kam nicht zustande. Stattdessen fand man im Polen Sylwester Zieba (2-9) einen Ersatzgegner, der als klassischer Aufbaugegner galt.

Dennoch durfte man Zieba nicht unterschätzen, da er bereits zehn Profikämpfe im Boxen bestritten und auch MMA-Erfahrung gesammelt hatte. Entsprechend brachte er eine Erfahrung mit, die Claudio in dieser Form nicht hatte. Die erste Runde des Weltergewichtskampfes verlief ausgeglichen und spannend. Beide Boxer versuchten im Infight, harte Kombinationen zu landen, was ihnen auch gelang. Insbesondere Zieba wirkte sehr gefährlich in seinen Aktionen, die Claudio teilweise klar trafen. Der Debütant zeigte sich jedoch unbeeindruckt und konnte in der zweiten Runde Zieba zu Boden bringen. Dieser bewies Kampfsporterfahrung und nahm sich Zeit beim Aufstehen. Dies half jedoch nur bedingt, denn Claudio setzte entscheidend nach und schlug Zieba insgesamt dreimal zu Boden, womit der Kampf in der zweiten Runde endete.

Für Claudio bedeutete dies ein gelungenes Profidebüt, und seine Anhängerschaft war ebenfalls begeistert. Er sagte zum Kampf: „Meine Art ist immer, vorwärts zu marschieren. Die Trainer haben gesagt, geh die Sache ruhig an, aber sobald ich einmal hier drin war, wollte ich einfach nach vorne gehen!“

MMA-Fighter geht prompt KO

Robert Gans vs. Taifun Yavuz
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Der MMA-Kämpfer Robert Gans (0-1) gab ebenfalls sein Profidebüt in Köln. Er trat im Halbschwergewicht gegen Taifun Yavuz (1-1) an. Gans hatte sich leider eine schwerwiegende Kreuzbandverletzung zugezogen, wodurch der anspruchsvolle Bodenkampf im MMA kaum mehr realistisch für ihn erschien. Entsprechend wollte er sich nun in der Standdisziplin, dem Boxen, beweisen. Mit Yavuz wartete ein Mann, der vor neun Jahren einen Profikampf in Spanien bestritt, den er damals jedoch verlor. Dennoch galt es, Yavuz nicht zu unterschätzen, der körperlich in bester Verfassung antrat.

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Schnell bekam dies auch Gans zu spüren. Beide Athleten landeten gute Aktionen und erzeugten einen dynamischen Beginn. Nach zwei Minuten fand der Kampf jedoch ein überraschend jähes Ende. Yavuz landete in der Nahdistanz einige schöne Treffer, der Ringrichter wollte wohl kurz dazwischengehen, doch Gans begann benommen durch den Ring zu taumeln und in die Seile zu fallen. Es entstand etwas Irritation, da der Ringrichter nicht sofort handelte. Es war aber klar ersichtlich, dass Gans schwer angeschlagen war und nicht mehr kampffähig erschien. So musste der Ringrichter nach kurzer Überlegung den Kampf folgerichtig abwinken. Für Gans war das ein Kampf zum Vergessen. Er hatte einen deutlich hörbaren Support vor Ort, der sicherlich maximal enttäuscht vom Ausgang war.

Barakat liefert ein starkes Comeback nach 6 Jahren Boxabstinenz

Bihes Barakat vs. Cristian Avila
© Konstantinos Sarigiannidis

Ein weiteres sportliches Highlight wurde im Leichtgewicht geboten. Im weltweiten Kontext eine der heißesten Gewichtsklassen aktuell im Boxen, hat es in Deutschland einen schweren Stand und ist gewiss unterrepräsentiert. Bihes Barakat (26-2-1) und Cristian Avila (18-14-1) zeigten eindrucksvoll, weshalb das so schade ist. Barakat wurde im Oktober 2007 IBF Juniorenweltmeister und kämpfte sieben Jahre später im Rahmenprogramm von Wladimir Klitschko. Er ist also ein talentierter und renommierter Kämpfer, der jedoch in den letzten sechs Jahren keinen Profiboxkampf bestritten hat. Einen leichten Aufbaugegner konnte er jedoch bei der German Boxing Series nicht erwarten, da dies nicht zum Konzept passt. So stellte sich Barakat dem gefährlichen Venezolaner Cristian Avila, der bereits gegen zahlreiche starke Gegner bewiesen hat, dass er sportlich mithalten und gefährlich sein kann.

Entsprechend war Barakat gewarnt und musste von Beginn an voll da sein, was er auch durchaus tat. Beide Leichtgewichte zeigten in Runde 1 ein hohes Tempo und schenkten sich nichts. Avila bewies ein gutes Auge und schlug harte Powerpunches aus verschiedenen Winkeln, wodurch er die erste Runde tendenziell auch für sich entscheiden konnte. Barakat hielt jedoch weiterhin die Intensität hoch und konnte Avila zunehmend in den Rückwärtsgang drängen. Obwohl Avila durchaus fähig ist, auch aggressiv zu kämpfen, beschränkte er sich überwiegend auf starke Kontergelegenheiten im Rückwärtsgang, da Barakat selbst sehr aggressiv und forsch auftrat. Das lief auch sehr ordentlich, und die ersten drei Runden waren eng und äußerst ansprechend. Die Zuschauer bekamen aufgezeigt, was die niedrigen Gewichtsklassen als Reiz zu bieten haben: hohes Tempo, starke Schlagfrequenz und geschmeidige Bewegungen.

Barakat: „Ich bin einfach nur froh, dass in Köln mal wieder was Vernünftiges stattfindet“

Avila baute jedoch spätestens in den Runden 5 und 6 konditionell ab, was sich auch daran bemerkbar machte, dass er konstant seinen Mundschutz in der Rundenpause „vergessen“ hat, eine Form des Zeitschindens. Zuvor gab es auch schon einen Kopfstoß von seiner Seite, wofür er einen gerechten Punktabzug kassierte. Insgesamt war Barakat der aktivere und frischere Mann in der Endphase, der auch mehr Akzente setzen konnte. Es war eine erstaunlich gute Leistung von ihm, was man nach der langen Pause gegen solch einen gefährlichen Gegner nicht zwingend erwarten musste. Das sahen die Punktrichter genauso, die den Kampf mit 3x 59-55 einstimmig an Barakat werteten. Komischerweise wurden bei dem Kampf die genauen Scores verlesen.

Mit dieser Leistung wünscht man sich ein baldiges Wiedersehen von Barakat im Ring, der eindrucksvoll bewiesen hat, dass er 2024 weiterhin über ein sehr hohes Niveau verfügt. Nach dem Sieg sagte er: „Ganz ehrlich, das hat so viel Bock gemacht. Ihr habt gesehen, ich habe zwischendurch mit dem Gegner geredet. Ich hatte einfach nur Bock zu kämpfen. Ich kann es, und wenn ich Bock habe, dann mache ich es auch!“ Und er führte weiter aus: „Ich fühle mich top, habe ein geiles Team hinter mir, ein geiles Publikum. Und ich bin einfach nur froh, dass in Köln mal wieder was Vernünftiges stattfindet, wo man auch guten und ambitionierten Boxern eine Plattform bietet.“

Aksakal vs. Fekete war das einzige Mismatch der Card

Malik Aksakal vs. Laszlo Fekete
© Konstantinos Sarigiannidis

Insgesamt wurden 11 Kämpfe geboten, und es ist zwangsläufig so, dass auch mal ein Kampf nicht zündet. Dies war beispielsweise beim Superweltergewichtsduell zwischen Malik Aksakal (13-2) und Laszlo Fekete (22-24-2) der Fall. Aksakal kam aus einer Niederlage und bekam entsprechend mit Fekete einen Aufbaugegner. Der Ungar, der den Kampfnamen „Little Tyson“ trägt, entpuppte sich jedoch als sehr überschaubarer Gegner.

Aksakal landete aus der Distanz immer wieder schöne, gerade Hände, die Fekete durchrüttelten und auch zu Boden schickten. In Runde 1 sowie 2 war dies jeweils einmal der Fall. In der dritten Runde des einseitigen Kampfes war es ebenfalls der Fall, und Aksakal landete einen vernichtenden Treffer aus der Distanz. Zwar bewies Fekete durchaus Kämpferherz und stand immer wieder nach Niederschlägen auf, doch das Handtuch kam dann auch in Runde 3 geflogen – die Ecke hatte genug gesehen. Damit begibt sich Aksakal wieder auf die Gewinnspur, doch sein Kontrahent hatte nicht die ausreichende Qualität, um ihm wirklich etwas abzuverlangen. Das ist auch etwas schade, weil die restlichen Kämpfe wirklich fast alle auf Augenhöhe stattfanden. Allerdings gibt es immer wieder dynamische Prozesse beim Matchmaking durch Absagen etc., wodurch man häufig auch nicht die Paarungen realisieren kann, die man zuvor im Sinn hatte.

Zwei K1-Fighter schenken sich im Boxen nichts

Niklas Pupp vs. Furkan Celik
© Konstantinos Sarigiannidis

Mit Niklas Pupp (1-0) und Furkan Celik (0-2) lieferten sich noch zwei K1-Fighter im Boxen ein Duell auf Augenhöhe. Für Pupp bedeutete dies sein Profidebüt, während Celik schon einmal im Ring gestanden hat, aber natürlich dennoch im Boxen noch ziemlich unerfahren war. Grundsätzlich gehört das Boxen auch zu den K1-Elementen, aber die Feinheiten dieser beiden Sportarten sind schon grundsätzlich anders, was man auch alleine beim Stand der Kämpfer beobachten kann. Entsprechend spannend war es zu sehen, welcher der beiden Athleten besser die Spezialdisziplin Boxen adaptieren kann und entsprechend auch der vielseitigere Fighter ist.

Wer der bessere Fighter an dem Abend war, lässt sich nicht einfach so sagen. Es war wirklich ein sehr ansprechendes und ausgeglichenes Duell im Weltergewicht. Pupp kam etwas besser in den Kampf rein und konnte mehr Powerpunches in der ersten Runde landen, wodurch es tendenziell auch seine Runde war. Celik erhöhte hingegen den Druck in der zweiten Runde. Allgemein ging es die ganze Zeit schön hin und her, wodurch es auf den Scorecards entsprechend eng verlief nach diesen vier munteren Runden. Exemplarisch konnte man die vierte Runde heranziehen, wo beide nochmal alles gaben. Celik landete zahlreiche wirklich schöne Uppercuts, die Pupp jedoch konstant nahm und selbst Gegenangriffe initiierte. Der Kampf wurde schlussendlich auf den Scorecards entschieden, wo etwas überraschend Pupp der Arm einstimmig gehoben wurde. Ein Unentschieden wäre sicherlich auch nicht verkehrt gewesen, aber die Punktrichter sahen in Pupp den etwas besseren Boxer an dem Abend.

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Der Favorit Ando Hakob gewinnt seinen Kampf überraschend nicht

Andranik Hakobyan vs. Ferenc Katona
© Konstantinos Sarigiannidis

Im ersten Profikampf des Abends trafen im Supermittelgewicht Andranik Hakobyan (17-1-3) und Ferenc Katona (12-16-4) aufeinander. Der Kampf, der etwas überraschend auf die Card gelangt war, entpuppte sich als Highlight. Hakobyan, auch als Ando Hakob bekannt, galt als klarer Favorit. Er hatte bereits Titelkämpfe in seiner Karriere gewonnen, darunter die Schweizer Meisterschaft. Mit nur einer Niederlage in 20 Profikämpfen wurde er im Oktober für einen Kampf in der Rudolf Weber-Arena in Oberhausen gegen den Ex-Weltmeister Austin Trout (37-5-1) verpflichtet, der zuletzt auch den BKFC-Titel gewonnen hatte. Hakobyan musste jedoch wegen einer Schulterverletzung absagen und war fast zwei Jahre inaktiv. Mit Katona kam nun ein scheinbar unscheinbarer Ungar, der aber alles von Hakobyan abverlangte.

Zunächst sah es danach aus, als würde Hakobyan seiner Favoritenrolle gerecht werden. Er zeigte ein technisch besseres Boxen mit guten Jabs und präzisen Powerpunches, die Katona durchrüttelten. Doch Katona blieb bissig und erhöhte von Runde zu Runde seine Schlagfrequenz. Nach einem guten Beginn Hakobyans wurde der Kampf ab der dritten Runde sehr ausgeglichen. Hakobyan bewegte sich immer weniger, ließ sich von Katona häufig am Seil fixieren und bearbeiten. Zwar gingen viele Kombinationen auf die Deckung oder trafen nur unsauber, doch Katonas dauerhafte Offensive hinterließ Eindruck. Insgesamt war es ein sehr enger Kampf, in dem Katona mehr investierte. In der Physis schien Hakobyan einfach nicht perfekt aufgestellt zu sein, was sicherlich auch an der fehlenden Matchpraxis lag. Katona war so ein unbequemer Gegner, dass Hakobyan mit 80 oder 90% Leistungsfähigkeit nicht gewinnen konnte.

So sahen es auch die Punktrichter, die den Kampf 3x 57-57 werteten, was ein Unentschieden bedeutete. Es war die erste große Überraschung in Köln und zeigte, dass es keine leichten Kämpfe an dem Abend geben würde. Für Katona war das Resultat ein Erfolg, weil er sich mit seiner fleißigen und harten Kampfführung belohnen konnte.

Stadionfeeling im Boxen

Marco „Macce“ Korth vs. Marvin Conrad.
© Konstantinos Sarigiannidis

Neben 9 tollen Profikämpfen gab es zu Beginn der Veranstaltung noch 2 weitere Kämpfe, die im 3×2 Minuten-Modus ausgefochten wurden. Hierbei traten auch leidenschaftliche Anhänger des 1. FC Köln an, die entsprechenden Support in die XPOST mitbrachten. Die lautstarken Anhänger sorgten für eine atmosphärische Kulisse und brachten Stadionfeeling in die Halle, was sich die German Boxing Series herbeigesehnt hatte.

Zum einen trat Marco „Macce“ Korth gegen Marvin Conrad an. Korth ist als glühender Anhänger des 1. FC Köln bekannt und hat auch ein bekanntes Tattoo-Model als Ehefrau. Mit lautstarkem Support im Rücken machte er früh viel Druck im Kampf und versuchte, Conrad zu überrennen. Dieser agierte überwiegend im Rückwärtsgang und war sehr defensiv eingestellt. Vermutlich ließ er sich von der defensiven Boxweise von Leichtgewichtler Shakur Stevenson inspirieren. Leider konnte Korth nur wenige harte Hände ins Ziel bringen, weil Conrad viel unterwegs war, was sicherlich frustrierend für Korth war. Am Ende gewann Korth alle Runden.

Jay Schmitt vs. Rene Peters.
© Konstantinos Sarigiannidis

Im zweiten Duell trafen Jay Schmitt und Rene Peters aufeinander. Auch bei diesem Schwergewichtskampf war die Rollenverteilung ähnlich. Schmitt ging als enorm muskulöser und bulliger Mann stets nach vorn, während Peters versuchte, mit seinen Reichweitenvorteilen im Rückwärtsgang zu boxen. Schmitt konnte im Vorwärtsgang zahlreiche harte Hände ansetzen, die Peters schmerzten und ihm die Luft raubten. In der dritten Runde wurde Peters dann zweimal angezählt, blieb aber zäh und schaffte es über die Distanz, was sicherlich ein Erfolgserlebnis für ihn darstellte. Auch hier gewann Schmitt jede Runde.

Fight24 präsentiert sich erneut als verlässlicher Übertragungspartner

Die GBS1 im Fight24 PPV.

Die Übertragungssituation im deutschen Boxen stellt eine große Herausforderung dar. Die Zeiten von hochdekorierten TV-Verträgen im öffentlichen Rundfunk sind lange vorbei, und auch die Privatsender haben das Interesse am Boxsport verloren. Dies hat zur Folge, dass die Sportart praktisch keine Repräsentation mehr im Fernsehen erfährt. Das ist ein schwerer Schlag für die Sichtbarkeit und Popularität des Boxsports, aber im Streamingzeitalter auch eine Chance, sich dort entsprechend zu positionieren. Besonders die jüngere Generation nutzt Streaming-Dienste intensiv, während das traditionelle Kabelfernsehen zunehmend an Relevanz verliert.

Ein bedeutender Akteur in der deutschsprachigen Kampfsportlandschaft ist seit einigen Jahren Fight24. Der Streaming-Dienst berichtet aus den Kampfsportarenen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und bringt das Arenafeeling nach Hause. Auch die Veranstaltung am Sonntag wurde exklusiv weltweit von Fight24 gestreamt und dies ohne technische Komplikationen. Selbst die unerwartete Attacke von Rüdiger May konnte die Übertragung nicht beeinträchtigen. Ein kompetentes und sympathisches Kommentatoren-Duo, bestehend aus Mark Bergmann und Philipp Haarburger, führte durch den Abend. Haarburger, der normalerweise beim MMA-Giganten Oktagon moderiert, wurde zusätzlich von der German Boxing Series verpflichtet und trug zur Veranstaltung sehr gewinnbringend bei.

Es ist sehr erfreulich, dass sich Fight24 immer weiter in der deutschen Kampfsportszene etabliert und das Zuhause der wahren Fans darstellt, die sich nach gutem und ehrlichem Kampfsport im deutschsprachigen Raum sehnen.

Sehnsucht nach einer zweiten Auflage der German Boxing Series

Wenn man sich als Boxsportfreund die Kämpfe am Sonntag in Köln angeschaut hat, da ging einem wirklich das Herz auf. Tolle und spannende Kämpfe, die fair geführt wurden und man nicht krampfhaft irgendwelche eigenen Schützlinge bevorteilen möchte. Das Konzept mit den verschiedenen Facetten war sehr gewinnbringend. K1-Fighter, MMA-Fighter, lokale und gestandene Profiboxer, Kampfsport-Influencer und Kurvengänger des 1. FC Kölns, alles war geboten. Und nicht auf einer sehr trashigen und unangenehmen Art und Weise, sondern durchaus dem Kampfsport Mehrwert bietend. Zudem hat die German Boxing Series mit der Location und ihrer Ausstattung sicherlich nochmals das Boxerlebnis entscheidend aufgewertet. Dies konnten auch zahlreiche Prominente vor Ort bestaunen. Es gab eine wilde Mixtur an bekannten Gesichtern, die restlos zufrieden waren. Agit Kabayel, Felix Sturm, Christina Hammer, Tyron Zeuge, Moritz Müller, Pietro Lombardi oder auch Twenty4Tim, alle waren sie in Köln vor Ort – und noch viele mehr.

Abschließend kann man nur hoffen, dass nach der Analyse sich die German Boxing Series bestätigt sieht, eine zweite Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Das Konzept ist sehr interessant und tut dem teilweise angestaubten deutschen Boxsport sichtlich gut. Es wäre wirklich ein toller Mehrwert, wenn die German Boxing Series sich in Deutschland etablieren würde. Vielleicht schafft man es dann auch noch, einen international hochangesehenen Hauptkampf auf die Beine zu stellen, damit noch mehr Aufmerksamkeit erreicht wird. Aber eines ist nach der Debütveranstaltung sicher: Bei der German Boxing Series ist jeder Kampf ein echtes Highlight!

Sämtliche Kämpfe werden noch kostenlos auf Fight24 hochgeladen

Das Event wurde am Sonntag im PPV-Livestream auf Fight24 übertragen. Wer sich die Kämpfe allerdings kostenlos anschauen möchte, dem sei gesagt, dass Fight24 so kulant auftritt, dass sämtliche hochklassige Fights kostenlos und zeitnah hochgeladen werden. Hierfür lohnt sich ein Blick beispielsweise auch auf den YouTube-Kanal. Mit einem kostenlosen Abonnement verpasst man kein Hochladen mehr.



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