Die CU-Arena war am Samstag Schauplatz zahlreicher Siege von Lokalmatadoren in der Hansestadt Hamburg.
Am Samstag war es endlich soweit: Die CU-Arena im Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek wurde zum Schauplatz eines Boxevents. Es stellte die Premiere von SLS Events dar, welches ein Zusammenschluss von Ammar Riad Abduljabbar, Nenad Stancic und Samuel Louçã ist. Mit dem Zutun von Benny Blanko konnte das ehrgeizige Projekt dann final auch realisiert werden. Gänzlich ausverkauft war die reizvolle Halle zwar nicht, dennoch wurden über 1.500 Zuschauer erwartet, was zur Zeit eine starke Kulisse für das deutsche Profiboxen darstellt. Die Hamburger warteten sehnsüchtig auf Erfolge ihrer lokalen Helden, die auch erfolgen sollten.
Stancic erstmalig in Hamburg aktiv
Für Nenad Stancic (15-0) war der Hauptkampf am Samstag sicherlich eine enorme Herausforderung. Neben der sportlichen Komponente musste er sicherlich auch einige organisatorische Dinge klären, was eine zusätzliche Belastung darstellte. Der Druck war entsprechend nicht gering, als er den letzten Kampf des Abends vor gut gefülltem Haus bestritt. Für den Hamburger war ein Kampf in seiner Heimatstadt sogar Neuland, denn er kämpfte überwiegend im Osten der Republik auf SES-Veranstaltungen, im Norden verschlug es ihn zuvor fast noch nie.
Stancic sollte um den International-Titel des BDB im Leichtgewicht gegen seinen venezolanischen Kontrahenten Yeison Juarez (17-5) kämpfen. Juarez blickte auf einen soliden Rekord zurück, den er jedoch im Superbantamgewicht erkämpft hat, wodurch Stancic als klarer Favorit betrachtet werden musste. Der talentierte Hamburger gilt schon seit Jahren als eine nationale Toppersonalie in der vergleichbar unterrepräsentierten kleineren Gewichtsklasse, dem Leichtgewicht. Im Dezember 2021 wurde der ehemals gute Amateur beispielsweise WBO-Juniorenweltmeister in Magdeburg, doch in den letzten Jahren stagnierte die Entwicklung bei ihm. Einen Fortschritt bei der Gegnerwahl war nicht zu erkennen, wodurch Stancic auch keine Sprünge in der Weltrangliste zu verzeichnen hatte. Mit dem selbstpromoteten Event in Hamburg sollte der Startschuss dafür gelegt werden, mit großen Schritten dies nun zu verfolgen.
Juarez war ein maximal undankbarer Hauptkämpfer
Die Erwartungshaltung war groß in Hamburg, leider konnte der Kampf diese nicht erfüllen. Das lag keineswegs an Stancic, der zu jeder Sekunde große Kampfbereitschaft signalisierte, vielmehr war es der Gast aus Venezuela, der in die hanseatische Fischsuppe spuckte. Früh ließ Juarez erkennen, dass er an knackigen Infightsequenzen nur wenig Interesse fand. Immer wieder flitzte er von einer Ecke zur nächsten und blieb ein kaum treffbares Ziel für Stancic. Der Hamburger verzeichnete natürlich auch gelegentliche Treffer, beispielsweise mit der guten Führhand, doch wenn Juarez auch einige Kombinationen einstecken musste, folgte postwendend der Clinch.
Für die Zuschauer war Juarez genauso undankbar wie für Stancic, weil in dieser Konstellation einfach kein guter Hauptkampf zustande kommen konnte. Exemplarisch hierfür kann die letzte Runde herangezogen werden, wo Stancic sichtlich frustriert seine Deckung auf Suspensorium-Höhe senkte und Juarez schon anbettelte, sich dem Kampf doch zu stellen. Der Mann aus Venezuela ignorierte dies und ließ auch die letzte Möglichkeit in Hamburg verstreichen, noch offensiv in Erscheinung zu treten.
Am Ende werteten alle drei Punktrichter den Kampf einstimmig 100-89 für Stancic, der diesen ereignisarmen Kampf komfortabel gewann. Leider war es zugleich auch ein unbefriedigender Kampf, weil eine der beiden Seiten sich nicht darauf einlassen wollte. Für zukünftige Hauptkämpfe sollte man jedenfalls bei Juarez einen weiten Bogen machen, da er nicht geeignet erscheint für diese Rolle.
Nenad Stancic (15-0, 7 KOs) 🇩🇪 captures the BDB International Lightweight title against Yeison Juarez (17-5, 11 KOs) 🇻🇪 in Hamburg, Germany.
Unfortunately, Juarez's performance as the main event choice was a complete disaster, as he spent 10 rounds merely circling the ring,… pic.twitter.com/etsnQGLb5z— Permante (@PermantexG) April 29, 2024
Ex-IBO Champion Formella empfiehlt sich mit Sieg für große Auslandskämpfe
Im Co-Mainevent kämpfte zudem der ehemalige IBO-Champion im Weltergewicht, Sebastian Formella (26-3). „Hafenbasti“ konnte im Juli 2019 den IBO-Titel in der CU-Arena gewinnen, wodurch es für ihn durchaus ein magisches Wiedersehen war. Damals traf er auf den Südafrikaner Tulani Mbenge (20-2), wo sich beide Athleten einen knüppelharten und hochklassigen Kampf über 12 Runden lieferten, nun hieß jedoch der Gegner Sergio Dos Santos Carvalho (13-3). Ein Mann aus Brasilien, der in seiner Heimat einige Siege einfuhr, aber aus zwei Niederlagen am Stück kam.
Formella musste man natürlich im Vorfeld klar favorisieren, doch Dos Santos galt es nicht gänzlich zu unterschätzen, weil der Lateinamerikaner sicherlich auch eine Wundertüte darstellte. Früh ließ er jedoch erkennen, dass er nur wenig Chancen an dem Abend gegen den Ex-Champ haben würde. Immer wieder schlugen harte und präzise Kombinationen von Formella ein, die Dos Santos durchrüttelten. Zwar mangelte es dem Brasilianer keineswegs an Kämpferwillen und er schlug auch beherzt zurück, was Juarez im Hauptkampf gänzlich vermissen ließ, aber auf Dauer ging das nicht gut.
So kam es, wie es kommen musste, und Formella erhöhte mit jeder Runde mehr den Druck. Dos Santos baute sichtlich ab und musste in der vierten Runde enorm viel einstecken, tat dies jedoch auch. In der Rundenpause gestand er jedoch die Niederlage ein und blieb auf dem Stuhl sitzen, was seine vorzeitige Niederlage besiegelte. Für Formella, der von Erol Ceylan promotet wird, war es der dritte Sieg in Folge und er wünscht sich noch einen starken und gut bezahlten Kampf im Ausland, der sicherlich auch greifbar erscheint.
Former IBO champion Sebastian Formella (26-3, 14 KOs) 🇩🇪 was able to overwhelm his Brazilian opponent Sergio Dos Santos Carvalho (13-3, 11 KOs) 🇧🇷 with numerous blows, prompting him to surrender after 4 rounds in their welterweight bout in Hamburg, Germany. pic.twitter.com/USGJDI4iNw
— Permante (@PermantexG) April 29, 2024
Olympiateilnehmer zurück auf der Siegesstraße
Ammar Riad Abduljabbar (2-1) blickte auf eine turbulente Zeit zurück. Nahm er noch 2021 an den Olympischen Spielen in Tokio teil und drang bis ins Viertelfinale vor, musste er im März 2022 auf dem Olympiastützpunkt in Heidelberg eine empfindliche Niederlage einstecken. Das talentierte Cruisergewicht unterlag beim zweiten Profikampf Julio Cesar Calimeno (6-4), was ein herber Dämpfer für seine ambitionierten Ziele darstellte. Calimeno war jedoch selbst ein ehemals guter Amateur und kämpfte beispielsweise schon bei der WSOB gegen den Kubaner Erislandy Savon, wodurch man sich vermutlich einfach etwas überschätzt hatte.
Für Ammar Riad Abduljabbar folgte nun nach über 2 Jahren ein Aufbaugegner mit Mikheil Khutsishvili (32-54-6), wo es primär darum ging, wieder zurück auf die Siegesstraße zu gelangen. Immer wieder änderten sich die Gegner für ihn, wodurch man schlussendlich bei den Georgiern ankam, der diesen Kampf sehr kurzfristig angenommen hatte. Im Kampf selbst wurde der deutsche Olympiateilnehmer mit Wurzeln im Irak schnell der Favoritenrolle gerecht. Er deckte Khutsishvili mit zahlreichen Powerpunches ein und setzte diesen zu. Boxerisch muss man jedoch sagen, dass Riad Abduljabbar etwas wenig bot, was vermutlich auch daran lag, dass die Aufgabe es nicht erforderte. Die Führhand folgte kaum, die Deckung blieb tief, was bei etwas stärkeren Gegnern auch schief gehen kann.
Khutsishvili war an diesem Abend jedoch keine stärkerer Gegner, und der Kampf wurde nach 2 Niederschlägen in Runde 2 auch abgebrochen. Für Ammar Riad Abduljabbar bedeutet dies ein erfolgreiches Comeback im Profibereich, wo hoffentlich bald weitere gute Siege folgen werden.
The Olympian from Tokyo, Ammar Abduljabbar (2-1) 🇩🇪🇮🇶, successfully bounces back after his first professional loss and defeats Mikheil Khutsishvili (32-54-6) 🇬🇪 by TKO in round 2 in Hamburg, Germany. pic.twitter.com/ins5sdK1Ev
— Permante (@PermantexG) April 29, 2024
Demaj und Gorgon liefern sich den besten Kampf des Abends
Den interessantesten Kampf des Abends konnten die Zuschauer im Halbschwergewicht verfolgen, wo Edison Demaj (12-2-1) auf den Polen Przemyslaw Gorgon (17-12-2) traf. Beide Boxer konnte man im Vorfeld ähnlich stark einschätzen bezüglich der Leistungsfähigkeit, wodurch es auf dem Papier ein spannender Kampf zu werden versprach. Gorgon blickte einst auf einen tollen Erfolg gegen den sehr starken Karol Welter (16-1) zurück, als dieser noch in einer höheren Gewichtsklasse antrat. Entsprechend musste Demaj sich auf Gegenwehr gefasst machen.
Die kam auch. Gorgon versuchte direkt den Kampf an sich zu reißen und preschte immer wieder nach vorne. Beide Boxer lieferten Jabs und gute Körpertreffer, wodurch der Auftakt ziemlich ausgeglichen erschien. Allerdings kristallisierte sich doch heraus, dass Gorgon der Mann im Ring war, der aktiver erschien und mehr für den Kampf investierte. In Runde 3 musste Demaj dann einen Volltreffer schlucken, woraufhin er kurz zuckte. Daraufhin setzte Gorgon beherzt nach, konnte aber keine klaren Treffer verzeichnen, wodurch die Angriffswelle verpuffte.
In Runde 4 war es dann plötzlich Demaj, der vermehrt in den Vorwärtsgang schaltete und den bulligen Polen auch zurückdrängen konnte. Ab dem Moment war der Kampf komplett offen, und beide Boxer konnten den Ring noch siegreich verlassen. Entscheidend war, wie so häufig, die Physis, und da schien Gorgon in den letzten beiden Runden nicht abzubauen. Immer wieder preschte er vorwärts und schlug viel, wobei der Großteil der Schläge auf die Deckung gingen, was natürlich ein Manko darstellte. Aber insgesamt hatte er mehr vom Kampf und entsprechend auch mehr Argumente für einen Sieg. Nach 6 Runden ging der Kampf jedoch auf die Scorecards, und dort wurde ein geteiltes Unentschieden gewertet. Ein Punktrichter sah Gorgon mit 59-55 vorne, ein anderer Punktrichter sah es 59-55 für Demaj (was nicht erklärbar erschien), und einer schließlich dann 57-57.
Die weiteren Resultate der Undercard
Der Deutschalbaner Kristiano Hoxhaj (1-0) feierte ein erfolgreiches Profidebüt gegen den Tschechen Kamil Zemanek (2-10) im Mittelgewicht, wobei Zemanek gefühlt nach dem ersten Treffer sich gekonnt auch auszählte. Er war ein sehr dankbarer Gegner für Hoxhaj, was aber beim Profidebüt nicht im Vordergrund stehen sollte.
Kristiano Hoxhaj (1-0) 🇦🇱🇩🇪 made a positive professional debut in the middleweight division by stopping Kamil Zemánek (2-10) 🇨🇿 in the first round in Hamburg, Germany. pic.twitter.com/jCDJtbT97I
— Permante (@PermantexG) April 28, 2024
Yasin Basar (8-0) wusste im Cruisergewicht durchaus zu überzeugen und konnte Williams Ocando (24-15-1) mit zahlreichen harten Körpertreffern so eindecken, dass der Ringrichter den Kampf schon in der ersten Runde abwinkte. Basar hat leider in den letzten 9 Jahren lediglich 2 Kämpfe bestritten, zuvor war er auch in England aktiv gewesen. Hoffentlich stellt der Erfolg in Hamburg weitere Aktivität für Basar dar, weil er im Ring eine gute Figur macht.
Yasin Basar (8-0) 🇩🇪 displayed pressure from the outset and was able to trouble Williams Ocando (24-15-1) 🇻🇪 with hard body shots, leading the referee to stop the cruiserweight bout in the first round in Hamburg, Germany. pic.twitter.com/Y4ysX87lUT
— Permante (@PermantexG) April 28, 2024
Im Superleichtgewicht konnte Alexander Hoffmann (11-0) einen Punktsieg über Eduardo Cordovez (16-5-1) einfahren. Hoffmann schlug ebenfalls viele Kombinationen zum Körper und nahm somit den Druck von Cordovez raus, der durchaus bissig erschien. Da Cordovez jedoch frühzeitig lieber den Infight vermied und boxerisch über die Distanz gegen Hoffmann nicht ankam, verblieb er chancenlos. Hoffmann bekam den einstimmigen Punktsieg zugesprochen mit 3x 60-53.
Alexander Hoffmann (11-0) 🇩🇪 wins the super lightweight bout against Eduardo Cordovez (16-5-1) 🇻🇪 by unanimous decision in Hamburg, Germany.
The unanimous scorecard read: 3x 60-53. pic.twitter.com/eRA8voqLbp— Permante (@PermantexG) April 28, 2024
Im Schwergewicht behielt Temur Mamoyan (8-0) seine 100%ige KO-Quote bei und stoppte den 43-jährigen Italiener Gianluca Di Florio (2-3) in der zweiten Runde. Von Di Florio ging an dem Abend nur wenig Gefahr aus.
Temur Mamoyan (8-0, 8 KOs) 🇩🇪🇦🇲 easily won his heavyweight bout against 43-year-old Italian Gianluca Di Florio (2-3) 🇮🇹 by TKO in round 2 in Hamburg, Germany. pic.twitter.com/DLBGIyVKdd
— Permante (@PermantexG) April 28, 2024
Den Opener der Card bestritt der Debütant Suat Oral (1-0) im Superweltergewicht. Er gewann jede Runde und punktete Richard Walter (12-36-1) aus, was auch die Punktrichter sahen. Sie werteten den Kampf mit 3x 40-36 zugunsten von Oral. Übrigens ist Suat der Cousin von Mahir Oral (28-4-2), der vor ca. 15 Jahren in zwei Weltmeisterschaftskämpfen stand, diese jedoch beide verlor. Ob Suat jemals dieses Niveau erreichen wird, bleibt sehr ungewiss, aber zumindest ist der Startschuss für seine Profikarriere gelegt.
Suat Oral (1-0) 🇩🇪, the cousin of former world title challenger Mahir Oral (28-4-2), made a successful professional debut on Saturday with a points victory over Richard Walter (12-36-1) 🇨🇿 in Hamburg, Germany. The unanimous decision was scored 40-36 on all three judges'… pic.twitter.com/Xom5Ls2WCf
— Permante (@PermantexG) April 28, 2024
Nächstes Event in Hamburg ist anvisiert
Grundsätzlich kann man durchaus von einem Erfolg für die Organisatoren und Boxer sprechen, die an der ersten Veranstaltung von „Hansestadt Hamburg schlägt zu!“ teilgenommen haben. Zwar wären natürlich ausgeglichenere Kämpfe wünschenswert gewesen, aber das Steigerungspotenzial in dieser Hinsicht ist somit gegeben. Geplant ist jedenfalls eine weitere Veranstaltung in Hamburg, die noch zum Ende des Jahres 2024 stattfinden soll.
Wer Interesse hat, sich das Event anzuschauen, dem sei das PPV ans Herz gelegt. Infight.Club bot es im Livestream für 8 € an. Weiterhin kann man das Event auch im Nachhinein dort verfolgen. Die Streamingqualität war durchaus lobenswert, und mit Matthias Preuss wurde auch ein adäquater Kommentator verpflichtet, der die Zuschauer durch das Event verbal geführt hat.